Mittwoch, 30. Juni 2010
Vollstreckungsbeamte pfänden bei Hamburger Kunststudenten
Presseerklärung des AStAs der Hochschule für bildende Künste vom 28.06.2010, Hamburg
Wegen nicht gezahlter Studiengebühren schickt Hamburg jetzt die Inkasso-Beamten – auch zu mittellosen Studierenden
Über 50 Studierenden der Hamburger „Hochschule für bildende Künste“ (HfbK Hamburg) steht die Pfändung ihres Eigentums bevor. Bereits zum vergangenen Freitag veranlassten die zuständigen Landeskassen bei ersten Studierenden die Sperrung der Bank-Konten. Vollstreckungsbeamte suchten in den letzten 14 Tagen wiederholt Studierende in ihren Wohnungen auf, um ausstehende Studiengebühren einzutreiben.
Der Auslöser für die eingeleiteten Vollstreckungsverfahren liegt in dem seit 2007 an der HfbK Hamburg laufenden Boykott der Allgemeinen Studiengebühren, an dem immer noch über ein Drittel der Studierendenschaft teilnimmt. Ohne Erfolg hatte die Hochschulleitung der HfbK Hamburg in den letzten Jahren mehrfach selbst versucht die ausstehenden Gebühren geltend zu machen. Um die konfliktreichen Fälle loszuwerden, übermittelte die HfbK schließlich Ende 2009 die Daten der zahlungsunwilligen Studierenden zur Voll-streckung an die Kasse Hamburg.
Diese wird nun auch über die Landesgrenzen hinweg tätig. Auch Studierende, deren Einkommen weit unter dem Pfändungsfreibetrag liegt, sind betroffen.
Maximilian Wondrak (26), der seit seinem HfbK-Abschluss in Berlin nach einem Job sucht und zur Zeit auf Hartz-IV-Unterstützung angewiesen ist, bestätigt:
„Ich bekomme inzwischen fast täglich Besuch von Beamten des Finanzamtes Berlin, die hier als verlängerter Arm der Kasse Hamburg tätig werden. Seit letztem Freitag ist mein Konto gesperrt, obwohl ich doch ohnehin nichts habe. Ich weiß nicht wovon ich jetzt leben soll. Gleichzeitig will ich mich auch prinzipiell diesem Druck nicht beugen.
Ein Hochschul-Studium ist für die Studierenden sehr kostenintensiv, viele sind danach verschuldet und nicht nur für Künstler sind die Jobaussichten schlecht. Studiengebühren verschärfen das noch. Ich denke aber, es ist wichtig, dass Bildung für jeden zugänglich bleibt, unabhängig vom Einkommen der Eltern.“
Um die Zwangsvollstreckung auf offiziellem Wege abzuwenden bleibt betroffenen Studierenden jetzt noch die Möglichkeit, eine eidesstattliche Versicherung abzugeben, die der Kasse Hamburg zusichern soll, dass kein verwertbares Vermögen vorhanden ist. Verweigern die Studierenden die Zahlung und auch die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung, stellt das Gesetz weiterführende Mittel bereit: die Studierenden können schlussendlich in eine Beugehaft von bis zu sechs Monaten genommen werden, um ein Einlenken zu erzwingen.
Ob es soweit kommt, ist zur Zeit noch ungewiss. Die HfbK-Studierenden wollen weiter Widerstand leisten: „Studiengebühren sind grundsätzlich falsch und ich denke nicht daran diese ungerechte Politik zu unterstützen. Ich werde mich mit allen Mitteln dagegen wehren. Und damit stehe ich nicht alleine!“, versichert die Kunststudentin Pauline Fall (23). Viele der Studierenden erinnern in diesem Zusammenhang an die nicht eingehaltenen Wahlversprechen der GAL, die Studiengebühren wieder abzuschaffen: sie fordern, dass die schwarz-grüne Hamburger Regierung nun der bundesweiten Tendenz folgt und die Gebührenfreiheit wieder herstellt, wie es das Saarland und Hessen vorgemacht haben. Der Sprecher des AStAs der HfbK, Till Wolfer, unterstreicht dies: „Einerseits wirbt der Hamburger Senat für eine Schulreform, die das Schulsystem gerechter machen soll – und andererseits befördert er durch die Beibehaltung des Studiengebühren-Systems den Ausschluss finanziell schlechter gestellter Menschen von einem Hochschul-Studium, schickt sogar die Vollstreckungsbeamten. Das ist doch paradox!“
Hintergrund des Gebühren-Boykotts:
Die Studierenden setzen sich mit dem Boykott allgemeiner Studiengebühren für ein gebührenfreies Studium ein, das unabhängig von der finanziellen Leistungsfähigkeit jedem offen stehen soll und in dem nicht allein verwer-tungsorientierte Aspekte strukturbe-stimmend sind. Sie lehnen Studien-gebühren damit grundlegend ab und wenden sich auch gegen das Modell „nachgelagerter Studiengebühren“. Dieses soll eine verzinste Stundung der Gebühren bis zum Eintritt in das Berufsleben ermöglichen. Laut einer Studie des Hochschulinformations-zentrums schrecken viele Studienwillige vor einem Stundungsantrag und der Aufnahme eines gebührenpflichtigen Studiums zurück, weil sie die hohe Verschuldung bei immer ungewisseren Jobaussichten fürchten.
Wegen nicht gezahlter Studiengebühren schickt Hamburg jetzt die Inkasso-Beamten – auch zu mittellosen Studierenden
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